Mitzeichnen: keine freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe! AKS Hamburg

„Unterstützt die Stellungnahme des Arbeitskreises Kritische Soziale Arbeit Hamburg sowie des Aktionsbündnisses gegen geschlossene Unterbringung Hamburg

Liebe KollegInnen und liebe MitstreiterInnen,

seit vielen Jahren setzen wir (Aktionsbündnis gegen geschlossene Unterbringung und Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Hamburg) uns dafür ein, die Kinder und Jugendhilfe von den Zumutungen individualisierender und ordnungspolitischer Problemdefinitionen und -lösungen zu befreien. Vor diesem Hintergrund haben wir im Rahmen eines Bündnistreffens eine Stellungnahme gegen die Öffnung und weitere Planung der spezialisierten Einrichtung im Klotzenmoorstieg verfasst. Wir möchten euch bitten, diese innerhalb eurer Organisation bzw. eurer Teams und Gruppen zu diskutieren und als Verband, Träger oder auch Interessensvertretung mit eurer Unterschrift zu unterstützen. Den Wandel zu einer subjektorientierten und kritisch-reflexiven Sozialen Arbeit, die auf Ermöglichung und Ermächtigung statt Einschluss fußt, können wir nur gemeinsam bewirken…“ AKS Hamburg

Insofern möchten wir euch bitten, dass ihr die Stellungnahmen bis zum 15.01.22 unterschrieben an kontakt@geschlossene-unterbringung.de (per, Scann oder Mail) zurücksendet, wenn Ihr diese als Einzelperson/Organisation/Verband/Verein unterstützt.

link zur Unterstützung https://akshamburg.files.wordpress.com/2021/12/stellungnahme-final.pdf

der Text der Stelllungnahme:
Für den Ausbau sozialräumlicher Unterstützungsangebote. Gegen Ausschluss durch
Einschluss – keine freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe!
Stellungnahme des Arbeitskreises Kritische Soziale Arbeit Hamburg sowie des Aktionsbündnisses gegen
geschlossene Unterbringung Hamburg

Die Hamburger Sozialbehörde plant derzeit, eine neue Einrichtung an der Schnittstelle von Jugendhilfe und
Psychiatrie für Kinder „mit speziellem pädagogischen und psychiatrischen Betreuungsbedarf“ (so die Behörde)
in Groß Borstel zu errichten, die 2026 in Betrieb gehen soll.
Wir lehnen diese Pläne ab und rufen zur Gründung eines breiten Bündnisses auf, um es gar nicht erst zur
Errichtung der spezialisierten Einrichtung im Klotzenmoorstieg kommen zu lassen.
Die geplante Einrichtung soll sich an Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 13 Jahren richten, die – so die
Zuschreibungen in den bisherigen Papieren – eine „geringe Frustrationstoleranz, ein schwach ausgeprägtes
Selbstwertgefühl mit teilweise selbstverletzendem Verhalten und / oder eine hohe Gewaltbereitschaft haben
und deshalb ambulant-psychiatrisch behandlungsbedürftig und / oder aus einem vorhergehenden stationären
Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie kommen.“ Als Ausschlusskriterien werden „akute Psychosen,
akute Suizidalität sowie akute Substanzmittelabhängigkeit“ genannt. Die Kinder und Jugendlichen sollen u.a.
durch eine hochstrukturierte „heilende Architektur“ betreut und „behandelt“ werden, die durch ein dreistufiges
Behandlungsmodell gestützt und von einem internen Beschulungsangebot ergänzt werden soll. In der
Präsentation des Konzeptes beim JHA Hamburg-Nord (11.08.2021) war von einer besonderen Haltekraft der
„beschützenden“ Einrichtung die Rede, die durch Unterstützung, Schutz und Nähe entstehen soll – sowie, je
nach Einzelfall und Situation durch befristete freiheitsentziehende Maßnahmen!
Zweifellos müssen „psychiatrisch erkrankte“ Kinder und Jugendliche Hilfe und Unterstützung bekommen.
Allerdings sind dafür keine spezialisierten Einrichtungen erforderlich (vgl. Köttgen/Kunstreich 2021). Es
benötigt alternative Zugänge zur Unterstützung und Behandlung, die von den konkreten Lebenssituationen der
Kinder und Jugendlichen ausgehen, und die gemeinsam mit ihnen entwickelt werden. Nur so kann es zu einer
für alle Beteiligten sinnvollen Verbesserung der Lebenssituationen kommen. Deshalb muss ein gesondertes
System, welches den harten Ausschluss durch vermeintlich wohltätigen Zwang und Einschluss legitimiert,
unbedingt verhindert werden.
Die Klassifikation psychischer Störungen wurden in den letzten Jahrzehnten stetig weiter ausdifferenziert.
Darum kann der Ruf nach spezialisierten Einrichtungen nicht verwundern. Deren Schwerpunkt liegt allerdings
in der Behandlung und Veränderung des individuellen Verhaltens und vernachlässigt so den Blick auf die
Verhältnisse, die konkreten Lebenssituationen und die eigensinnigen Subjekte. Bereits 1947 lieferten Fritz
Redl und David Wineman auf Basis ihrer Erfahrungen im Pioneer House schlagkräftige Argumente dafür,
Situationen zu gestalten und nicht Personen zu bearbeiten. Sie wiesen schon damals darauf hin, dass den
Kindern und Jugendlichen häufig wichtige Bindeglieder in ihrem Leben gefehlt haben und so grundlegende
Erfahrungen der Sozialisation nicht gemacht werden konnten, die zu einer Identifizierung mit Erwachsenen
führen. Insbesondere das Gefühl, geliebt und erwünscht zu sein, aber auch verlässliche Familienstrukturen,
die nicht in fast jedem Augenblick ihres Lebens in einer Phase der Auflösung sind, haben gefehlt. Zentral ist
die Erkenntnis, „dass diese Faktoren in der Umwelt der Kinder fehlten – dass nicht ihr Störungssyndrom sie
daran hinderte, sie in sich aufzunehmen und sie sich zu Nutze zu machen“ (Redl/Wineman 1979, S.58 f.)
Ausgehend davon sowie dem Wissen um die Wirkungen von geschlossenen, totalen Institutionen können der
Einschluss und die mit dem Phasenmodell konzeptionell verankerten Wechsel der Bezugspersonen nicht als
Lösungen betrachtet werden.
Wir fordern deshalb, anstelle großer Summen für eine weitere spezialisierte Einrichtung zu verausgaben (und
damit einen weiteren „Verschiebebahnhof“ für die Jugendhilfe zu etablieren, der das Verlegen und Abschieben
von so genannten „Problemfällen“ befördert), diese Mittel in den Ausbau und die Weiterentwicklung eines
sozialräumlichen multiprofessionelles Hilfenetzes zu investieren. So können die Gestaltung und Veränderung
der Lebenssituation ermöglicht werden, z. B. durch den Einsatz von multiprofessionellen Unterstützungsteams,
die über ausreichende und flexibel einsetzbare Ressourcen verfügen, um ein für die jeweilige Situation
angemessenes Setting zusammen mit dem Kind/Jugendlichen unter Einbeziehung aller Beteiligten zu ent-
wickeln. So zeigen bspw. die Erfahrungen der Koordinierungsstelle Individuelle Hilfen, wie erfolgreich ein
Vorgehen sein kann, wenn es im Dialog mit den Beteiligten erarbeitet wird. Insgesamt muss es darum gehen,
die sozialräumliche Ausrichtung Sozialer Arbeit zu stärken und die Hinwendung von einer defizitorientierten zu
einer ressourcenorientierten, das Gemeinwesen stärkenden, Sozialen Arbeit voranzubringen.

Literatur:
 Köttgen, Charlotte/ Kunstreich, Timm (2021): In jeder Legislaturperiode ein neues geschlossenes
Heim für Kinder und Jugendliche? Zum Verhältnis von Kinder- und Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie.
In: FORUM für Kinder und Jugendarbeit, 2/2021. S. 40-44
 Redl, Fritz & Wineman, David: Kinder, die hassen. Auflösung und Zusammenbruch der Selbstkontrolle,
München 1979

Wir/ ich unterstützen/ unterstütze die Stellungnahme

Verband/Träger/Einrichtung/ Interessenvertretung (Zutreffendes bitte unterstreichen)

Datum: ___________________

Organisation: ______________________________

Adresse: __________________________________________

Unterschrift: _________________________________

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