Bielefelder Erklärung 2017: Kinder- und Jugendhilfe weiter entwickeln, nicht abwickeln!

Mit der Entwurfsfassung für ein „Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen” wurde im
Juni 2016 ein Entwurf zur Novellierung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes öffentlich, der
weitreichende fachliche, rechtliche und finanzielle Einschnitte in das System der Kinder- und
Jugendhilfe vorsah.
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Mit diesem Entwurf wurde zugleich die grundlegende Philosophie des geltenden Kinder- und
Jugendhilfegesetzes (SGB VIII/KJHG) radikal in Frage gestellt, die auf die Entwicklungs- und
Entfaltungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in einem demokratischen Gemeinwesen
gerichtet ist (“Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung”).
Kinder- und Jugendhilfe hat den gesellschaftlichen Auftrag ihren Adressat_innen zu einem
selbstbestimmten Leben zu verhelfen und sie bei der Wahrnehmung ihrer Teilhaberechte am
gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben zu unterstützen.
Eine „Reform“, die diesen Namen verdient, entwickelt den rechtlichen Rahmen weiter, den die
Kinder- und Jugendhilfe dafür benötigt.
Der Anspruch auf Teilhabe von Kindern, Jugendlichen und Familien darf nicht reduziert werden
auf ein wie auch immer definiertes “Mindestmaß”!
Sinnvolle, und im Kontext Sozialer Arbeit selbst entwickelte Perspektiven eines Gemeinwesen-
und Sozialraumbezugs dürfen nicht dazu benutzt werden, die mit dem KJHG geregelten
Rechtsansprüche von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern auszuhebeln.
Der individuelle Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erziehung muss erhalten bleiben!
Genauso muss der Freiraum in der Kinder- und Jugendarbeit erhalten bleiben, der die
Selbstorganisation und Selbstregulation von Jugendlichen erlaubt.
Wir brauchen eine starke Kinder- und Jugendhilfe, die eingebettet ist in eine solidarische Kultur
des Aufwachsens, in der Demokratie spürbar und erlebbar wird.
Und wir brauchen eine Kinder- und Jugendhilfepolitik, die die rechtlichen und finanziellen
Rahmenbedingungen für eine qualitätsvolle und fachlich vertretbare Arbeit in den Feldern der
Kinder- und Jugendhilfe gewährleistet.
Dazu gehört eine angemessene Personalausstattung ebenso wie die Anerkennung der Arbeit für
und mit Kindern, Jugendlichen und Familien.
Die Teilnehmer_innen der 77. Jahrestagung der Gilde Soziale Arbeit e.V.,
“Zurück in die Zukunft einer Offensiven Jugendhilfe” (Bielefeld, im Mai 2017)
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Auch wenn diese erste öffentlich gewordene Fassung schnell von weiteren Arbeitsentwürfen abgelöst wurde und –
nicht zuletzt aufgrund kritischer Einwände und Proteste aus den Fachöffentlichkeiten – einige Veränderungsvorhaben
zurückgenommen wurden, so bleibt die beschriebene Tendenz doch weiterhin auf der politischen Agenda.
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